Mittwoch, 19. September 2007

Yad Vashem – יד ושס

Nach einer kurzen Nacht ging es heute früh nach Yad Vashem. In einem überfüllten Bus fahren wir einmal quer durch Jerusalem. Rauf und wieder Runter. Rauf und wieder Runter. Also Rom ist nix dagegen. Der Busfahrer hat wahrscheinlich ähnlich gute Laune wie wir um diese Zeit. Er kennt nur zwei Zustände Beschleunigen und Bremsen. So werden wir ordentlich durch die Gegend geschleudert. In Yad Vashem angekommen gibt es erstmal Sicherheitskontrollen. Mir fällt eine bemerkenswerte Kombination auf. Ein attraktives Mädchen vielleicht 20 Jahre mit einem Blümchen-Rucksack auf dem Rucken. Sie trägt dazu eine grau-grüner Uniform und ein M-16 unter dem Arm. Irgendwie niedlich und beängstigend Zugleich!


„Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“


Am Eingang nimmt uns Noah in Empfang. Sie wird unsere Führung leiten. Sie weißt uns auf die spezielle Sicht dieser Gedenkstätte hin. Yad Vashem ist für die Opfer und nicht für die Täter. Und so finden die Täter auch quer durch die Shoa-Ausstellung kaum Beachtung. Yad Vashem ist mitten in den Berg gebaut und zu 90 % unterirdisch. Das ganze Gelände ist stark mit jungen und älteren Bäumen bepflanzt. Die „Allee der Gerechten“, jeder der jüdisches Leben während des Holocaust gerettete hat bekam hier einen Baum mit einem schwarzen Schild auf dem sein Name steht. Ein sehr prominentes Beispiel ist Oskar Schindler. Seine Liste von Geretteten wird in Yad Vashem ausgestellt. Die Historie des Holocaust haben wir zu genüge behandelt, darum bemüht sich Noah uns mit den Eindrücken unabhängig von geschichtlichen Ablaufes zu konfrontieren. Antisemitismus, Ghettos, Vernichtung, Traumatisierung, Deportation, Motive der Gründung Israels. Der Umgang mit der Shoa ist in Israel genauso problematisch, wie in den Ländern wo sie statt fand. Noah zeigt uns wie wichtig der Aufstand im Warschauer Ghetto für das Selbstverständnis der Israelis war und ist. Im Raum für das Warschauer Ghetto sind orginal Pflastersteine und Gullideckel in den Boden eingefasst, als Symbol für den Untergrund und den aktiven Widerstand den es dort gab. Helden sind alle die etwas dagegen getan haben unabhängig von ihrem Erfolg.


In Yad Vashem sehen wir viele Gemälde von Jehuda Bacon mit dem wir auch sprechen konnten. Er hat Auschwitz überlebt und verarbeitet seine Geschichte in Bilder. Bilder die für uns surreal wirken und doch die Botschaft tragen das es für ihn keine Juden sondern nur Menschen gibt. Er versucht nicht zu differenzieren oder zu verurteilen. Ein bewundernswerter Mensch der während seiner Erzählungen eine Atmosphäre von wirklichem Optimismus erzeugt.


Noah konfrontiert uns mit der Tatsache, dass bereits 1944 Amerikanern und Briten bekannt war was in Auschwitz passiert. Luftbilder waren vorhanden, sie waren ausgewertet und es war klar was dort passiert. Aber warum fielen keine Bomben auf die Gleise nach Oświęcim. I.G. Fraben wurde bombardiert weil es Kriegswichtig war. Alles ist aber ohne Wertung dargestellt, man soll sich selber damit auseinander setzten. Das Bild eines Soldaten aus der Operation Barbarossa wie er eine Frau mit Kind erschießt. Es gibt keinen Text dazu. Ich kenne das Bild und weiß, dass es sich um einen Wehrmachtssoldaten handelt. Die Differenzierung zwischen SS und Wehrmacht wird hier klar vermieden. Warum sollte man aus jüdischer Sicht auch differenzieren. Täter werden nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu Tätern sondern durch ihr handeln.


Yad Vashem beinhaltet ein Archiv mit 3,2 Mio. Akten die sie „A Page of Testimony“ nennen. Jeder der Freunde und Verwandte während des Holocaust verloren hat kann ihnen hier ein Denkmal setzen in dem er solch eine Anzeige ausfüllt in der er die Daten des Verstorben einträgt und sie ins Archiv von Yad Vashem übergibt. Unter www.yadvashem.org kann man online das ganze Archiv durchsuchen. Vielleicht eine Möglichkeit grad für Leute die sagen – so etwas gab es bei uns nicht – sich vom Gegenteil zu überzeugen. (Indem man den Ortsnamen eingibt und alle Opfer aus dieser Region angezeigt bekommt)


Ich werde das Museum in den nächsten Wochen auf alle Fälle noch einmal besuchen. Grad weil es die Shoa aus einer anderen Perspektive beleuchtet. Eine Perspektive die man kaum in Europa finden kann.

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